„Portraits in der blauen Stunde“ ist eine Visualisierung der Dauer, eine Überwindung der oberflächlichen Zeitlosigkeit der Fotografie. In der 2004 angefangenen Serie entstanden durch gestalterische Elemente bildlich komplexe Bilder, welche für die Künstlerin charakteristisch sind. Ira Vinokurova belichtet einen Mittelformatfilm mit zwölf Aufnahmen der gleichen Person, am gleichen Ort, in dem kurzen Moment in dem der Tag in den Abend übergeht. Die einzelnen Belichtungen fangen sehr subtile Abstufungen des Lichtes und leichte Positionsänderungen des Sujets ein. Durch die Überlagerung der zwölf Aufnahmen vermitteln diese Bilder den Atem und das Leben der portraitierten Person; nicht in einem Raum, sondern in der Zeit. Der Mangel an Licht komprimiert die Umgebung des Modells, während sich die Zeit bis zur Unendlichkeit entfaltet. 
Die Kunst von Ira Vinokurova steht hier den philosophischen Überlegungen von Henri Bergson (1859-1941, Paris) über die “la durée” (franz.: die Dauer) nahe. Die Philosophie des Franzosen entwickelte sich aus der Notwendigkeit, die Welt in ihrer ganzen Komplexität und Instabilität des ständigen Wandels wahrzunehmen. Die Diffusität der Bilder vermittelt das Gefühl eines gedehnten Zeitflusses und erinnert uns an die flüchtige Natur des Lebens und an die Mehrdeutigkeit des Menschen selbst.